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Ryanair muss trotz Piloten-Streik Entschädigung zahlen und Kosten für gebuchten Ersatzflug übernehmen.

Ein recht klassischer Fall: Unsere Berliner Mandanten waren mit Ryanair vom Flughafen Schönefeld nach Bukarest geflogen. Während des Aufenthaltes in Bukarest erreichte sie die Mitteilung, dass Ryanair für den 11.08.2018 einen „unnötigen Piloten-Streik“ erwarte und der Rückflug unserer Mandanten am 10.08.2018 deshalb nicht stattfinden könne.

Wie stets, bot auch Ryanair in diesem Fall eine kostenfreie Umbuchung auf ausgewählte Flüge an. Zwischen dem 10.08 und dem 12.08. wurde hingegen kein buchbarer Flug angeboten. Alternativ könnten die Fluggäste den Flug kostenfrei stornieren.

Verzweifelt, weil unsere Mandanten aus beruflichen Gründen planmäßig in Berlin zurückerwartet wurden, fanden sie nach eigener Suche schließlich doch einen Flug am 10.08.2018, angeboten von Eurowings, für den noch zwei Plätze zur Verfügung standen, der von Ryanair hingegen nicht als umbuchbarer Flug angezeigt worden war.

Nach einem über drei Stunden andauernden Versuch in der Hotline von Rynair den Kundenservice zu erreichen, wandten sich unsere Mandanten an die Unterzeichner mit der Frage wie nun am besten zu verfahren sei.

Nach Rücksprache sahen unsere Mandanten zutreffend unbedingt von einer Stornierung des gebuchten Fluges ab und setzten Ryanair mittels E-Mail vom 08.08.2018 eine Frist, binnen derer Ryanair sie auf den Eurowings-Flug umbuchen möge.

Wie zu erwarten, erfolgte keine Reaktion. Unsere Mandanten buchten den (teureren) Ersatzflug schließlich auf eigene Kosten und erreichten ihr planmäßiges Ziel fünf Stunden später als mit dem ausgefallenen Flug geplant. 

Unsere Mandanten forderten Ryanair zunächst unter Fristsetzung selbst zur Erstattung der entstandenen Flugmehrkosten auf.
Wie nicht anders zu erwarten, verlief diese Fristsetzung erfolglos, war hingegen erforderlich, damit unsere Mandaten die ihnen aufgrund späterer anwaltlicher Aufforderung entstehenden Kosten aus Verzug erstattet erhalten konnten.

Nachdem die vorgerichtliche Zahlungsaufforderung durch die Unterzeichner ebenfalls erfolglos geblieben war, war, neben der Erstattung der unseren Mandanten für das vorgerichtliche Verfahren entstandene Rechtsanwaltskosten, Klage auf Erstattung der entstandenen Flug-Mehrkosten sowie Entschädigung vor dem in diesem Falle zuständigen Amtsgericht Königs Wusterhausen geboten.

Ryanair erkannte die geltend gemachten Ansprüche schließlich in zutreffender Weise  vollumfänglich an. Das Amtsgericht König Wusterhausen erließ am 13.02.2020, Az. 4 C 5533/19 ein entsprechendes Anerkenntnisurteil.

Der Anspruch unserer Mandantin auf Ersatz der Flug-Mehrkosten ergibt sich aus Art. 5, Art. 8 Abs. 1 b), c) der VO (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung). 

In Art. 5 Abs. 1 a) VO (EG) Nr. 261/2004 (Annullierung) heißt es:

„Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen a) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten.“

 In Art 8 Abs. 1 (Anspruch auf Erstattung oder anderweitige Beförderung) heißt es sodann:

 „Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen zwischen 

  1. a) der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde, für nicht zurückgelegte Reiseabschnitte sowie für bereits zurückgelegte Reiseabschnitte, wenn der Flug im Hinblick auf den ursprünglichen Reiseplan des Fluggastes zwecklos geworden ist, gegebenenfalls in Verbindung mit einem Rückflug zum ersten Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt,
  1. b) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder
  1. c) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.“

Wichtig also: Dem Fluggast steht ein Wahlrecht zu. Der Gast kann entweder den gebuchten Flug storniert und die entstandenen Kosten erstattet erhalten oder eine anderweitige Beförderung in Anspruch nehmen, für die dann entsprechend auch die angefallenen Kosten zu erstatten sind.

In Fällen also, in denen ein Ersatzflug teurer als der ursprünglich gebuchte Flug ist, empfiehlt sich also stets den Flug nicht zu stornieren, sondern auf zunächst eigenen Kosten einen Ersatzflug zu buchen.

Gleicher Anspruch auf Erstattung ergibt sich im Übrigen aus einem den Klägern gegen die Beklagte zustehenden Schadensersatzanspruch aus §§ 280, 249 BGB wegen Verletzung ihrer Pflichten aus dem Beförderungsvertrag.

Der Anspruch auf die ebenfalls geltend gemachte Entschädigung ergibt sich aus Art. 6, 7 Abs. 1 c) VO (EG) Nr. 261/2004.

Art. 5, 6 und 7 der VO (EG) Nr. 261/2004 sind zunächst dahin auszulegen, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden und somit den in Art. 7 VO (EG) Nr. 261/2004 vorgesehenen Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, d.h., wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Anstelle der geplanten Ankunft um 12:10 Uhr erreichten die Kläger ihr Ankunftsziel um 16:40 Uhr und damit mit mehr als drei Stunden Verzögerung.

Für unsere Mandanten argumentierten wir, dass auch der angekündigte Pilotenstreik die Beklagte nicht von ihrer Entschädigungsverpflichtung freistelle. Ein Fall höherer Gewalt läge gerade nicht vor. Der Streik habe ausweislich diverser Medienberichte am Freitag, den 11.08.2018 und damit einen Tag nach dem Tage des geplanten Abfluges, dem 10.08.2018 stattgefunden.

Flugausfälle vor oder nach einem offiziellen Streik entlasteten die Airlines hingegen gerade nicht von einer Entschädigungszahlung, vgl. EuGH, Urteil v. 04.10.2012, Az.: C-22/11. Hiernach wäre ein Fluggast völlig schutzlos, wenn eine Fluglinie sich auch auf Vorkommnisse berufen könnte, die außerhalb der regulären Streikzeit liegen.

Vorgenanntes gilt entsprechend auch für die Annullierung eines Fluges, der planmäßig einen Tag vor dem geplanten Streik stattfindet.

Übrigens: Auch wenn der gebuchte Flug unmittelbar auf einen Streiktrag fällt, kann gegebenenfalls eine Entschädigung verlangt werden. Voraussetzung ist dann dafür, dass die Fluggesellschaft nachweisbar nicht alles Zumutbare unternommen habe, um die Streichung des Fluges zu verhindern, vgl. Urteil LG Frankfurt vom 30.01.2020,  Az.: 2-24 O 117/18. Hierzu müsse die Fluggesellschaft nach entsprechendem Vortrag es Fluggastes darlegen, dass versucht worden sei, Flugzeuge anderer Anbieter inklusive Crew zu chartern, um den ursprünglichen Flugplan einzuhalten. Könne sie dies nicht, gelte ein Pilotenstreik nicht als außergewöhnlicher Umstand.

Rechtsanwältin Anne Sulmann